zander luftdruck

Es soll tatsächlich Angler geben, die daheim bleiben und nicht angeln fahren, weil der Luftdruck sich in irgendeiner Art verändert. Man hört und liest es ja immer wieder:

Steigender und vor allem fallender Luftdruck soll den Fischen, insbesondere denen mit geschlossener Schwimmblase, wie z.B. Zander und Barsch sie haben, Probleme bereiten, weil sie die Druckänderung nicht so schnell ausgleichen können. Hört sich zunächst ja auch mal logisch an.

zander luftdruck 1Gerade dem Zander wird oft eine besondere Empfindlichkeit gegenüber Luftdruck-Veränderungen zugesprochen

Angler, Zander und der Luftdruck: Einfluss auf das Beissverhalten?

Schon vor vielen Jahren, als ich den Tauchschein machte und viel zum Thema "Druck" büffeln musste, kamen mir doch einige Zweifel zur luftdruckbedingten Beißunlust von Zandern. 2010 erschien dann mein erster Artikel zum Thema und meine "Gegentheorie" stieß doch auf allgemeine Skepsis. Mittlerweile sind aber schon einige andere Autoren mit auf das Thema angesprungen und bohren ebenso an diesem Mythos.

Um zu verstehen, ob und welchen Einfluss der Luftdruck auf das Beissverhalten von Fischen, speziell Zandern hat, müssen wir etwas tiefer in die Thematik "Druck" eintauchen.

Luft- und Wasserdruck

Luftdruck entsteht durch das Gewicht der Luftsäule, die über uns liegt. Den normalen Luftdruck sind wir gewohnt. Auf der Spitze des Himalayas beträgt dieser nur knapp ein Drittel des Normalluftdrucks, da ist uns "die Luft zu dünn". Wir haben aber kein Sinnesorgan zur konkreten Wahrnehmung des Luftdrucks.

Druck wird in Hektopascal oder bar gemessen. Im Prinzip ist’s das Gleiche.

Wir leben in einem Normalluftdruck von rund 1 bar (atmosphärischer Druck). Für die ganz Genauen: durchschnittlich 1,01325 bar. Gemessen wird das auf Meereshöhe.

Gehen wir dann ins Meer und tauchen 10m ab, steigt der Umgebungsdruck um 1 weiteres bar (hydrostatischer Druck) auf 2 bar (Gesamtdruck), ungefähr Autoreifenniveau.

Bei 20m kommt wieder 1 weiteres bar hinzu, usw.

Diese Skalierung des Wasserdrucks ist fest, alle 10m kommt 1 bar hinzu, da schwankt nichts.

Der Luftdruck, also das Gewicht der Luft, die von oben zusätzlich "auf das Wasser drückt" kann variieren.

Bild 3Ein Barometer misst den Luftdruck und gehörte zur Wettervorhersage früher in jeden Haushalt. Steigender Luftdruck = das Wetter wird schöner; und andersherum
Bild 4Historisches Barometer, 1695 gebaut von Daniel Quare, nachdem Otto von Guericke den Luftdruck 1663 mit den Magdeburger Halbkugeln nachwies

Wir müssen aber noch viel weiter in die Theorie eintauchen...

Physik und Biologie

Du tauchst im Schwimmbecken. Schon in rund 2m Tiefe merkst du, dass der Druck steigt, es rauscht in den Ohren. Der steigende Wasserdruck durch die Tiefe presst auf unsere im Kopf vorhandenen, hohlen Kammern (Innenohr, Stirn- & Nebenhöhlen), welche noch mit Normalluftdruck gefüllt sind.

Taucher halten nun die Nase mit den Fingern zu, pressen Luft in die Nase, als ob man ein Taschentuch in den Händen hält. Dadurch steigt der Druck in den Luftkammern auf ungefähr den Druck der Umgebung, in der man gerade ist. Das ist der berühmte "Druckausgleich".

Probier es einfach mal aus; es knackt etwas in den Ohren und du spürst den gestiegenen Druck.

Fische sind ebenso diesem Druck ausgeliefert, der mit der Tiefe immer mehr steigt.

Die meisten Knochenfische haben eine Schwimmblase mit der sie ihr spezifisches Gewicht in der Wasserumgebung ausgleichen und somit im Wasser schweben können.

Es gibt verschiedene Schwimmblasentypen, z.B. mit einer oder gar zwei Verbindungen zum Verdauungstrakt. Wer eine solche Verbindung zum Darm hat, kann einen Überdruck einfach "wegfurzen". Heringe kommunizieren sogar so, aber das ist ein anderes Thema.

Andere haben eine geschlossene Schwimmblase. Man nennt sie Physoclisten. Barsch, Zander oder Dorsch gehören beispielsweise dazu. Bei ihnen muss eine Druckänderung über den Blutkreislauf ausgeglichen werden. Das heißt, Luft wird über das Blut zu- oder abgeführt; das dauert etwas länger als bei den zuerst genannten Fischen.

Es gibt auch noch Fische ohne, bzw. mit verkümmerter Schwimmblase, wie Makrelen, aber die sind hier nicht von Belang.

Mehr Infos zu Schwimmblasen: https://de.wikipedia.org/wiki/Schwimmblase

schwimmblase fischeverschiedene Schwimmblasentypen - Zander haben wie auch andere barschartige eine einkämmerige, geschlossene Schwimmblase. 

Nun auch noch Mathematik - Was schwankt denn da?

1 bar, der Normalluftdruck, sind 1000 Hektopascal (hPa).

Durch Wetterschwankungen variiert dieser Wert, er steigt oder fällt.

Der niedrigste, jemals in Deutschland gemessene Wert betrug 908 hPa (2007 in Cottbus), der höchste 1058 hPa (1907 in Berlin).

Die Differenz zwischen diesen Extremwerten beträgt 150 hPa.

Du kannst mir noch folgen?

Nein? - Noch mal lesen!

Ja? - Weiter geht's.

Bild 6So sieht heute ein Barometer meist aus

Kleiner Exkurs: Druckmessgeräte & Wassertiefe

Der Luftdruck wird mit einem Barometer als Absolutwert gemessen. Der Bezugspunkt des Messwerts ist das Vakuum.
Ein Manometer (beim Tauchen speziell auch Finimeter) wiederum ist ein Differenzdruck-Messgerät und zeigt einen Vergleichswert zu einem anderen Wert.
Ein Tiefenmesser für Taucher misst als Monometer den Wasserdruck und rechnet diesen in die genaue Tauchtiefe um.

Mehr Infos:

Höhere Mathematik - Was bedeutet das?

Rechnet man diese Schwankung (die zuvor errechnete Differenz von 150hPa/0,15bar) in Wasserdruck/-tiefe um, entspricht dies einem sagenhaften Tiefenunterschied von 1,5m.

Noch mal deutlich: Die größtmögliche Luftdruckschwankung, die nicht mal in einem Schwung stattfand, sondern Extremwerte in einem 100jährigen Zeitraum an verschiedenen Orten abbildet, belastet eine Schwimmblase wie ein Tiefenwechsel um eineinhalb Meter.
Etwas, dass jagende Zander oder Dorsche ohne Probleme innerhalb von Sekunden erledigen.

Bild 7Ein Zander wird zurück gesetzt und schwimmt in Sekundenschnelle auf Tiefe - trotz geschlossener Schwimmblase
Aber bei leichteren Luftdruckänderungen soll genau dieser Zander Stunden und Tage brauchen, um wieder Appetit zu haben.
Wer soll das denn glauben?

barsch luftdruckAuch Barsche sind Physoclisten. Wer ihre wilde Jagd jemals beobachtet hat, weiß zu welch raschen Tiefenwechseln sie fähig sind

Die normale, tägliche Schwankung in unseren Breiten ist übrigens gleichzusetzen mit einem Druckunterschied von 0,5-1cm Wassertiefe!
Da machen schon Wasserstandsänderungen in tidenUNabhängigen Gewässern mehr her, ganz zu schweigen von Gewässern, die stetig von Ebbe & Flut beeinflusst werden, z.B. die untere Elbe, wo der Wasserstand alle 6 Stunden um rund 4m schwankt.

Hier dürfte ein Zander, der während der Tide in Grundnähe bleibt, ja nie Appetit haben, wenn man der gängigen Luftdruckthese folgen würde.

Bild 9Die untere Elbe

Ich bezweifele natürlich nicht generell den Wettereinfluss auf die Angelei, aber die pauschale "Luftdruckänderung = Hunger ist weg-Theorie" gehört in den Papierkorb und wir müssen uns neue Ausreden für Schneidertage überlegen.


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Kommentare  

Toller Artikel. Im Prinzip habe ich das immer gedacht, aber nie wirklich nachgerechnet.
Danke für die Blumen.
Bei mir war es andersherum;
ich hab das immer geglaubt, bis ich dann mal nachgerechnet habe ;-)
Hi,

sehr erfreulich zu sehen, daß sich auch andere Angler Gedanken machen und so manche Mythen hinterfragen.
Ich hatte mir in der Vergangenheit sehr ähnliche Gedanken gemacht und auch die Alternativtheorie von Uli Beyer etwas genauer angeschaut. Siehe PDF:
https://www.gsgvelbert.de/wp-content/uploads/2016/02/Sauerstoffgehalt.pdf
Jedenfalls bin ich jetzt wieder motiviert hier noch etwas tiefer einzusteigen.

Gruß
Lars
Hallo Lars,
interessante Darstellung.
Melde dich gern mal bei mir:
kati.kathmann@netzwerk-angeln.de
toll erklärt, ich denke das verstehen alle. Trotzdem gibt es noch genügend Faktoren die bei Angeln wohl eine Rolle spielen. Das muss jeder für sich selbst entscheiden, gibt aber auch Infos im Netz zum nachlesen
Gut Erklärt und physikalisch nachvollziehbar. Uns Menschen geht es ja genau so. Wer viel fliegt oder in den Bergen lebt kennt das ja auch wie der Luftdruck der Umgebung sich verändert.
Ich bin unfallbedingt sehr Wetterfühlig. Ein Phänomen das die Schulmedizin, jedenfalls damals, nicht wahrhaben wollte. Ich habe festgestellt, dass meine Beschwerden unter anderem, vorwiegend bei einer bestimmtem Wetter eintraten. also habe ich angefangen mich für Wetterlagen zu interessieren. Nun kann ich auch die Schmerzen bestimmten Wetterveränderungen zuordnen. Abziehende Tiefdruckgebiete die im schweizer Mittelland eine Nordost- Strömung, bei uns Bise genannt,mit kalter Polarluft verursachen spüre ich besonders stark. Das lässt sich medizinisch auch nicht erklären, ist nicht messbar, und einige behaupten es sei trotzdm da.

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