Zählen Knicklichter zum künstlichen Licht laut Fischereigesetz? Nicht jeder Angler kann jedes Gesetz und jede Verordnung kennen. 16 Landesfischereigesetze und unzählige Verordnungen machen das fast unmöglich. Man sollte aber davon ausgehen, dass die in einem Bundesland tätigen Angel- und Landesfischereiverbände zumindest die in ihrem Bundesland geltenden Gesetze und Verordnungen genau kennen. Angler sind dazu angehalten vor dem Besuch eines Gewässers zum Angeln sich mit den jeweils geltenden Gesetzen und Verordnungen vertraut zu machen. Für Verbände scheint dies nicht immer zu gelten.
Aufruf des Landesfischereiverband Baden-Württemberg zum Verstoß gegen das Landesfischereigesetz?
Direkt nach Erscheinen der Ausgabe 4/2021 der Verbandszeitschrift “Fischerei in Baden-Württemberg” klingelte in der Redaktion von Netzwerk Angeln immer wieder das Telefon. Ob wir schon mitbekommen hätten, dass im Verbandsheft des Landesfischereiverband Baden-Württemberg in einem Artikel zum Verstoß gegen das Landesfischereigesetz aufgerufen würde? Obwohl künstliches Licht zum Fischfang verboten wäre, würde da in einem Artikel empfohlen Knicklichter an Kunstködern und Köderfischen zum Anlocken von Fischen zu verwenden. Netzwerk Angeln hat recherchiert.
Beteiligte:
- Landesfischereiverband Baden-Württemberg: Herausgeber der Verbandszeitschrift “Fischerei in Baden-Württemberg” , siehe Impressum Verbandszeitschrift
- LFVBW-Geschäftsstelle: Die Redaktion der Verbandszeitschrift “Fischerei in Baden-Württemberg”, siehe Impressum Verbandszeitschrift
- Thomas Wahl: Jurist und Präsident des Landesfischereiverbandes, presserechtlich Verantwortlicher der Verbandszeitschrift “Fischerei in Baden-Württemberg”, siehe Impressum Verbandszeitschrift und https://www.lfvbw.de/verband/vorstand
- Marcus Türk: Bürgermeister von Villingendorf, noch Jugendwart und Vorsitzender des Angelsportverein Mittleres Stunzachtal Heiligenzimmern (will er abgeben, damit aber noch mit zuständig für Ausbildung und Fischerprüfung zumindest im Verein), Beisitzer im Vorstand des Landesfischereiverbandes, Autor des Artikels “Licht für Räuber” in der Verbandszeitschrift “Fischerei in Baden-Württemberg”
Der Artikel: Licht für Räuber
In der Verbandszeitschrift Fischerei in Baden-Württemberg Ausgabe 4, Dezember 2021 veröffentlichte Marcus Türk den Artikel “Licht für Räuber”. Darin empfiehlt er sogenannte Knicklichter bei Angelködern wie Kunstködern (Blinker) oder Köderfischen zum Anlocken der Fische. So schreibt er in seinem Artikel etwa:
Was in der Tiefsee funktioniert, ist vom Prinzip her auch aufs Süßwasser zu übertragen. Dazu können wir uns natürlich keiner Leuchtbakterien bedienen, sondern greifen auf Knicklichter zurück. Mithilfe ihres schönen scheins locken wir Raubfische an den Haken.
Während die Lockwirkung von künstlichem Licht ebenso detailreich beschrieben wird wie verschiedene Montagemöglichkeiten an Kunst- und Naturködern, sucht man nach einem Hinweis dass in Baden-Württemberg der Fischfang mit künstlichen Licht verboten ist, vergeblich. Das (hier unkenntlich gemachte) Foto des Artikels von Marcus Türk bekam auch das Ministerium bei unserer Nachfrage wegen § 15 Landesfischereiverordnung, (LFischVO) mitgeschickt.
Fischereigesetz untersagt Verwendung künstlichen Lichtes
Der § 38 (1) des Fischereigesetzes für Baden-Württemberg (FischG) verbietet die Verwendung künstlichen Lichtes zum Fischfang.
Fischereigesetz für Baden-Württemberg (FischG), Sechster Abschnitt; Schutz der Fischbestände
§ 38
Verbot schädigender Mittel
(1) Der Fischfang mit künstlichem Licht, explodierenden, betäubenden und giftigen Mitteln, mit Schlingen sowie mit verletzenden Geräten (mit Ausnahme von Angelhaken) sowie das Reißen (einschließlich Zocken, Schlenzen und dergleichen) sind verboten.
Nachfrage beim Ministerium
Ob auch ein Knicklicht zu den verbotenen künstlichen Lichtern gehört müsste zwar auch jeder Verbandsverantwortliche wissen, ich fragte dennoch direkt beim zuständigen Ministerium nach, um eine seriöse und zitierfähige Antwort zu bekommen:
Sehr geehrte Damen und Herren,
zählen sogenannte Knicklichter die man an Ködern befestigt zum anlocken von Fischen als “künstliches Licht” im Sinne des § 38 (1) des Fischereigesetz für Baden-Württemberg (FischG)?
Zitat
Verbot schädigender Mittel
(1) Der Fischfang mit künstlichem Licht, explodierenden, betäubenden und giftigen Mitteln, mit Schlingen sowie mit verletzenden Geräten (mit Ausnahme von Angelhaken) sowie das Reißen (einschließlich Zocken, Schlenzen und dergleichen) sind verboten.Wäre die Verwendung von an Ködern befestigten Knicklichtern damit eine Straftat?
Ministerium bestätigt: Knicklicht am Köder nicht erlaubt!
Umgehend, kompetent und kollegial wurde von der Pressestelle des Ministeriums die Rechtswidrigkeit des Einsatzes von Knicklichtern an Ködern zum Anlocken von Fischen bestätigt:
Zitat Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR), Mail an unsere Redaktion vom 30.11. 2021:
Sehr geehrter Herr Finkbeiner,
danke für Ihre Frage, die das Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz gerne wie folgt beantwortet:
Werden Knicklichter an Ködern befestigt so dient dies dem Zweck Fische anzulocken. § 38 Absatz 1 FischG verbietet den Fischfang mit Hilfe von künstlichem Licht.
Wer vorsätzlich oder fahrlässig gegen § 38 Absatz 1 FischG verstößt handelt nach § 51 Absatz 1 Nr. 19 ordnungswidrig.
Noch schwerer wiegt aber, dass weder der Landesfischereiverband als Herausgeber noch die Geschäftsstelle als Redaktion, noch Herr Wahl (Jurist, Präsident des Landesfischereiverbandes und damit presserechtlich verantwortlich für die Veröffentlichung des Artikels) hier einschritten und der Artikel so abgdedruckt wurde.
Ob die Rechtswidrigkeit des Fischfangs mit künstlichem Licht (hier Knicklichter) im Verband nicht bekannt war oder man sie einfach ignorierte bleibt offen.
Bußgeld bis zu 5.000 Euro für Angler die Knicklicht-Tipps befolgen
Im Artikel wird weder auf die Rechtslage in Baden-Württemberg hingewiesen noch davor gewarnt, Knicklichter an Ködern zum Anlocken von Fischen in Baden-Württemberg zu verwenden. Damit bringt der Verband Angler die den Tipps im Artikel folgen in Gefahr. Als gutgläubiges Verbandsmitglied darf man wohl davon ausgehen, dass in einer Zeitschrift des Landesfischereiverbandes nicht ein im eigenen Bundesland rechtswidriger Fangtipp ohne entsprechenden Hinweis veröffentlicht wird.Kann ein solcher Verband mit der Abnahme der Fischerprüfung beauftragt werden?
Laut Verordnung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zur Durchführung des Fischereigesetzes für Baden-Württemberg wurde der Landesfischereiverband Baden-Württemberg mit der Abnahme der Fischerprüfung beauftragt, in dem Fall beliehen (er agiert damit nahezu wie eine Behörde) - quasi eine Gelddruckmaschine für den Verband:
Der Artikel des Landesfischereiverband Baden-Württemberg birgt die Gefahr, dass Leser der Verbandszeitschrift dadurch zu rechtswidrigen Handlungen verleitet werden. Dadurch drohen den Anglern bis zu 5.000 Euro Geldbuße. Wegen der anstehenden Änderung der Landesfischereiverordnung (u. a. auch Abschaffung Nachtangelverbot) fragte die Netzwerk Angeln Redaktion daher beim Ministerium und Minister nach, ob die Beibehaltung des § 15 der Verordnung mit Beleihung des Verbandes für die Prüfung geplant ist.Landesfischereiverordnung, (LFischVO)
§15 Fischerprüfung
(1) Die nach § 31 Absatz 2 FischG erforderliche Sachkunde kann auch durch die erfolgreiche Ablegung der Fischerprüfung nachgewiesen werden. Die Abnahme der Prüfung wird dem Landesfischereiverband Baden-Württemberg e.V. (Landesfischereiverband) nach Maßgabe des § 31 Absatz 3 FischG übertragen.
Ebenfalls ist es interessant, wer im Ministerium zuständig ist für die Dienstaufsicht im Bereich der Abnahme und Durchführung der Fischerprüfung nach §15 Landesfischereiverordnung (LfischVO) und das alles hätte bemerken müssen.
Thomas Finkbeiner