- Aktualisierung 06. 07. 2020
Nachdem wir auch Jan Korte, den parlamentarischen Geschäftsführer der LINKEN im Bundestag und begeisterten Angler (siehe Interview mit Netzwerk Angeln) über die Verordnung in Berlin informiert hatten, hat er sich mit der Fraktion der LINKEN im Berliner Abgeordnetenhaus bezüglich der geplanten Fischereiverordnung in Verbindung gesetzt und auf die Nachteile für Angler hingewiesen.Dem Vernehmen nach gab es positive Rückmeldung der LINKEN, die ja auch Koalitionspartner in der Berliner Regierung sind. Wir berichten über den weiteren Fortgang.
Von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz wurde dem Berliner Abgeordnetenhaus ein Entwurf zur Änderung der Berliner Landesfischereiverordnung vorgelegt. Diverse Verbände wurden eingeladen Stellung zu nehmen. Auch Netzwerk Angeln liegt das Dokument vor. Wir haben einige Punkte gefunden, welche das Potential haben durch Einschränkungen und Verbote das Angeln in Berlin unattraktiver zu machen. Je nach praktischer Umsetzung. Nachfolgend informieren wir die Angler über diese Punkte. So haben sie die Chance bei Vereinen und Verbänden vorstellig zu werden um die Verbote und Einschränkungen noch zu verhindern. Leider wurde uns auf Nachfrage (von der Senatsverwaltung wurden wir an die Fischereibehörde verwiesen) nicht erlaubt, das gesamte Dokument zur vollständigen Information der Angler zu veröffentlichen. So können wir nur daraus zitieren.
Das gesamte Dokument zur Änderung der Berliner Fischereiverordnung liegt der Redaktion vor, darf aber nicht komplett veröffentlicht werden.
Die neuen Verbote und Einschränkungen der Berliner Landesfischereiverordnung
Viele neue Verbote und Einschränkungen gibt es im Verordnungsentwurf. Nicht alles betrifft direkt Angler. Ottersichere Reusen sind z. B. nur für Berufsfischer relevant. Dass Hege/Gemeinschaftsfischen angemeldet werden müssen betrifft nicht teilnehmende Angler sondern veranstaltende Vereine/Verbände. Manches ist auch nur eine Präzisierung bestehender Regeln wie bei dem Verbot von Raubfischködern vom 1. Januar bis zum 30. April eines jeden Jahres.
Dass die Ausnahme bei Verwendung des lebenden Köderfisches gekippt wurde - geschenkt. Das dürfte sich in Berlin in der Stadt unter Beobachtung eh fast niemand getraut haben.
Nachfolgend aber die Punkte, die in unseren Augen gravierende Änderungen und Einschränkungen für die Angler bedeuten können - je nach Umsetzung.
Zurücksetzen von Fischen erschwert
1. ln § 9 wird nach Absatz2 folgender Absatz 3 angefügt:
,,Das Zurücksetzen eines Fisches, Rundmaules, Krebses oder einer Muschel nach dem Fang
ohne vernünftigen Grund ist verboten"
Wie schwierig wird Fische zurücksetzen jetzt in Berlin?
Hälterverbot von mit der Angeln gefangenen Fischen
4. § 14 wird wie folgt geändert:
.......
c) Der neue Absatz 3 wird wie folgt gefasst:
,,Mit der Handangel gefangene Fische dürfen nicht gehältert werden."
................…
Fische hältern im Setzkescher - In Berlin jetzt vorbei?
Anfütterverbot außerhalb von Hegefischen
5. § 18 wird wie folgt geändert:
..............
b) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 4 neu eingefügt:
,,Das Anfüttern von Fischen außerhalb von Angelveranstaltungen ist verboten. Bei Angelveranstaltungen dürfen Fische nur unter Beachtung der in der Hegefischgenehmigung gestatteten Menge limitiert angefüttert werden."
............…
Angeln mit anfüttern in Berlin: Alles vorbei?
Die Begründungen zu den neuen Verboten und Einschränkungen der Berliner Landesfischereiverordnung
Spannend sind vor allem die Begründungen zu den einzelnen Verboten und Einschränkungen der Senatsverwaltung, welche Angler direkt betreffen. Wir wollen das daher nicht breit ausführen, sondern nur jeweils "Knackpunkte" aus den Begründungen aufführen, die besonders negativ aufgefallen sind.
Es ist dabei vielleicht noch vieles weitere fachlich wie juristisch in den Begründungen hinterfragbar. Das wäre vor allem Aufgabe der beteiligten Verbände. Im Falle der Angler sind das laut Schreiben der Verwaltung:
Verband Deutscher Sportfischer (VDSF) Berlin Brandenburg e.V., Hugo-Cassirer-Str. 46, 13587 Berlin
Deutschen Anglerverband (DAV) Landesverband Berlin e.V., Hausburgstr. 13, 10249 Berlin
Die Stellungnahmen der Verbände sollen nachgereicht werden laut uns vorliegendem Dokument. Wir werden dann gerne berichten.
Nun aber die Knackpunkte der Begründungen:
Begründung gegen Zurücksetzen von Fischen
..............
Wenn Fische nicht für die Ernährung oder aus Hegegründen gefangen werden, liegt kein vernünftiger Grund im Sinne des Tierschutzrechts vor. Das Fangen von Fischen (i.S.d. $ 8 Absatz 1 Satz 1) und anschließendes wieder Zurücksetzen des gefangenen Fisches ohne vernünftigen Grund ist nach dem derzeit geltenden Tierschutzrecht nicht zulässig.
.......................
Das Fangen und Wiederzurücksetzen eines Fisches ohne vernünftigen Grund ist bereits jetzt durch das geltende Tierschutzrecht rechtswidrig. Die Einfügung dient der Ahndung als Ordnungswidrigkeit, wenn gegen das zur Klarstellung aufgenommene Verbot des Wiederzurücksetzens nach dem Fang ohne vernünftigen Grund in $ 9 Absatz 3 verstoßen wird.
Begründung gegen Hältern von Fischen
Mit der Handangel gefangener Fisch kann durch hinreichende Möglichkeiten der Kühlung bis zur weiteren Verwendung nach fachgerechter Tötung aufbewahrt werden.
Das Fleisch von sofort abgeschlagenen Fischen ist bei sachgerechter Kühlung zudem qualitativ hochwertiger und länger haltbarer als das Fleisch von Fischen, die über Stunden hinweg gehältert und erst danach getötet werden.
Begründung gegen Anfüttern beim Angeln
…
Anfüttermittel bestehen großenteils aus Teigwaren oder Stärke, die zum Teil in großen Mengen in das Wasser eingebracht werden.
........
Sowohl das Wasserrecht als auch der Naturschutz haben das Ziel, Gewässer möglichst nährstoffarm zu halten. Nährstoffeintrag mit Nährstoffanreicherung ist zu vermeiden.
Kurze Anmerkungen und unsere Einschätzung zu den Begründungen
Jeder Angler aus der Praxis wird sofort wie wir die Praxisferne hinter manchen Begründungen erkennen. Bei vielen Punkten werden wohl auch einige Juristen sicher Bedenken anmelden wollen.
Was direkt aufgefallen ist in den Begründungen, das lest ihr nachfolgend.
Zurücksetzen von Fischen
Das Angeln als solches ist erlaubt durch die Existenz und Befolgung des Landesfischereigesetzes (bei vorhandenem Entnahmewillen (ist vorauszusetzen)) und braucht keine darüber hinausgehende Legitimation und einen zusätzlichen vernünftigen Grund wie hier behauptet (siehe auch den Artikel von Raimund Müller dazu: Juristische Problemstellung Catch and Release, Zurücksetzen entnahmefähiger Fische).
Erst für das Töten eines gefangenen Fisches braucht es nach dem Tierschutzgesetz wieder einen individuellen Grund für den Angler (Verwertung) oder einen übergeordneten Grund (Hege, dann muss auch nicht verwertet werden).
Hier scheint man eine nicht genauer definierte Willkürregel installieren zu wollen, um grundsätzlich das Zurücksetzen zu erschweren. Vor allem werden von der Senatsverwaltung/Behörde eben gerade die vielen möglichen Gründe zum zurücksetzen nicht definiert.
So ist reine Willkür möglich. Mit dem juristischen Bestimmtheitsgrundsatz und der Pflicht zur Normenklarheit (jedes Gesetz und jede Verordnung muss auch für juristisch nicht gebildete Menschen verständlich sein) ist das kaum in Übereinstimmung zu bringen.
Hältern von Fischen
Wenn jemand pauschal behauptet, ein geschlachteter und länger gekühlter Fisch wäre ein qualitativ hochwertigeres Lebensmittel und länger haltbar als ein lebender und dann frisch geschlachteter Fisch, sehen wir das als in keinster Weise belegbare Behauptung.
Selbstverständlich ist ein lebender Fisch der zu einem späteren Zeitpunkt geschlachtet wird immer länger haltbar, als ein Stunden vorher geschlachteter. Diese Begründung von Senatsverwaltung/Behörde ist für uns daher eine absolut unsägliche und abstruse Begründung. Sie legt nahe, dass hier andere Gründe für dieses Verbot vorliegen müssen.
Je frischer ein Fisch geschlachtet ist, desto höher ist die Fleischqualität - Kühltaschen sind daher kein Ersatz für Setzkescher, wenns um Qualität des Fischfleisches geht.
Anfüttern beim Angeln
Wenn eine Behörde wie hier behauptet es würden hauptsächlich Teigwaren angefüttert werden, erübrigt sich für mich jedes weitere Wort zur Kompetenz und zur Kenntnis der anglerischen Praxis.
Und was alle Angler anfüttern macht zudem noch nicht einen Bruchteil dessen aus, was alleine die mehrmals jährlich überlaufenden Kläranlagen in Berlin ( um die 60 mal/Jahr, Aussage im Petitionsausschuss Bundestag) mit der Einleitung von Nährstoffen über ungeklärte Abwässer verursachen. Hier scheinen Senatsverwaltung/Behörde mit dem Anfütterverbot für Angler einen Sündenbock für das Versagen der Behörden beim Abwasser suchen zu wollen.
Spezielles Futter zum Fang bestimmter Arten ist beim Angeln alltäglich und wird vom Angelhandel breit angeboten - Teigwaren gehören mit Sicherheit NICHT dazu!
- Weiterführende Infos zu Anfüttern und zum Zurücksetzen/Grund fürs Angeln
Dr. Thomas Klefoth hat in einem "Faktencheck Anfüttern" beim Anglerverband Niedersachsen dargelegt, dass unterm Strich durch Anfüttern mehr Nährstoffe aus dem Wasser kommen und nicht das Wasser mehr belastet wird:
Faktencheck Anfüttern
Raimund Müller, Dozent an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW für Strafrecht, Strafprozessrecht, Allgemeines Verwaltungsrecht (i.R.) hat zum Thema Catch and release und Grund zum Angeln einen Artikel für Netzwerk Angeln verfasst. Er legt klar dar, dass der Grund zum Angeln das in den Ländern jeweils geltende Landesfischereigesetz und kein persönliches Motiv wie Fischverwertung ist:
Juristische Problemstellung Catch and Release, Zurücksetzen entnahmefähiger Fische
Wie geht es weiter für Angler in Berlin?
Wir können hier selbsverständlich keine sicheren Voraussagen treffen. Auf Grund längjähriger Erfahrung tendieren wir zu folgener Einschätzung:
Es werden Verbände angehört werden. In wie weit sich da die beiden Verbände der organisierten Sport- und Angelfischer für Angler eingesetzt haben, wird man sehen. Wir werden natürlich dazu berichten, sobald die Stellungnahmen vorliegen.
Es steht zu befürchten, dass vieles eher von den Verbänden wieder abgenickt oder nicht energisch genug bekämpft wird, was Angler mit der neuen Verordnung unnötig belasten kann.
Dass gerade die GRÜNEN (auch federführende Senatsverwaltung) nicht als anglerfreundlich bekannt sind, ist eine Binse. Warum SPD und LINKE mit ihrem Anspruch für kleine Leute zu stehen hier die Angler dafür im Regen stehen lassen (Angeln ist das Paradebeispiel für das Hobby kleiner Leute), kann jeder Berliner Angler ja seinen Wahlkreisabgeordneten/kandidaten von SPD oder LINKEN fragen.
Genauso können Berliner Angler die in Vereinen der beiden genannten Verbände organisiert sind ihre Befürchtungen und Wünsche um Unterstützung bei der Abwehr so anglerfeindlicher Verbote und Einschränkungen an die Verbände herantragen - dafür werden diese Organsiationen und ihre Funktionäre schließlich ja bezahlt.
Wir sind gespannt, ob noch etwas zu retten ist und werden versuchen euch auf dem Laufenden zu halten.