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Nicht nur Angler kennen das Buch „Der alte Mann und das Meer“. Ernest Hemingway erzählt von einem Fischer, der den Kampf mit dem Fisch seines Lebens hat. Und gefühlt ging es mir an dem letzten Wochenende nicht anders. Nur war ich nicht auf dem Meer unterwegs, sondern an einem kleinen Graben in den Niederlanden. Und ich war auch nicht alleine, denn die Jungs von Maden Baden haben mich begleitet und zusammen haben wir eine Spot Hopping Tour in den Niederlanden gemacht.


Würde man diesen Tag – bis auf diesen einen besonderen Moment – kurz erläutern müssen, dann würde man ihn als zäh aber dennoch erfolgreich beschreiben. Es war verdammt schwer und bis zum Mittag hatten wir, bis auf eine Ausnahme an der ersten Stelle, keinen wirklichen Kontakt zum Fisch. Die Raubfische hatten die Mäuler zugenagelt, wie der erfolglose Angler gerne zu sagen pflegt. Also haben wir beschlossen das Gewässer und die Region zu wechseln und sind auf bekannte und erfolgsversprechende Spots ausgewichen. Das hat zu Anfang zwar noch nicht funktioniert aber am Ende hatten wir 7 Hechte, 2 Barsche und 2 Zander über den Kescher ziehen können.


Aber in diesem Artikel soll es jetzt nicht um die Fänge und dem ansonsten großartigen Tag gehen. Vielmehr soll es ganz nach dem Motto des Buchs „Die schönsten Fische, die wir nicht gefangen haben“ von Johannes Lohmöller gehen, in dem auch ich meine Geschichte über einen nicht gefangenen Fisch erzähle. Übrigens: Das Buch kann ich nur jeden empfehlen, denn für mich gehört es zu den besten, der mir bekannten Angelbücher überhaupt.


An diesem Tag hatten wir einen Temperatursturz um 15 Grad. Mehrere starke Gewitter und Unwetter die Tage zuvor, haben die Gräben mit Wasser gefüllt und dafür gesorgt, dass die Angelei an diesen Gewässern damit sehr zäh wird. Meiner Erfahrung nach beißen die Fische an den Tagen nach solchen Unwettern nur sehr zaghaft und müssen mit langer Ausdauer überredet werden. Und dieses Verhalten hatte sich auch den Rest des Tages bestätigt.


Eben bis zu jenem Zeitpunkt, als ich den Köder gedankenversunken unter meinen Füßen in einem Graben, direkt vor einem Rohr, das unter einer Straße entlangführt, präsentiert habe. Der Köder hatte kaum die Wasseroberfläche berührt, da brach das Wasser von unten auf und ein riesiges Hechtmaul schnappte sich den Köder. Kaum den Anschlag gesetzt, schlug diese Urgewalt mit seinem Schwanz eine riesen Welle, um im selben Atemzug vom Rohr aus den Graben entlang zu schwimmen. Die Bremse am Schreien wie die Motoren bei einem Formel 1 Rennen. Auch ich war am Schreien. Und zwar nach den Jungs, denn ein riesen Brocken hing an meiner Angelrute und der Kescher musste schnell her.


Nach einigen Fluchten konnte ich den Hecht auch endlich das erste Mal in seiner ganzen Pracht sehen. Ab dem Moment war mir auch klar, warum dieser Fisch eine so enorme Kraft hat. Solch einen großen und brachialen Hecht habe ich zuvor noch nicht gesehen, geschweige denn an der Rute gehabt. Spätestens jetzt ging mir der Arsch auf Grundeis und mein Herz schlug kräftiger als Klitschkos Rechte. Kein Wunder, denn ich hatte den Fisch meines (bisherigen) Lebens dran. Und das in einem solch unscheinbaren Graben.
Mittlerweile hatte der Hecht schon einiges an Schnur genommen und sich dabei kurzzeitig ins Kraut verzogen, bevor die Jungs mit dem Kescher und der Kamera diesen Krimi mitverfolgen konnten. Der Endgegner am anderen Ende der Leine begann ein erneutes Tauziehen und zog einige Meter an Schnur von der Rolle, ohne dass ich ihm auch nur irgendetwas entgegenzusetzen hatte. Ab diesem Moment stellte ich mir innerlich die Frage, wer jetzt wen drillte und spielte schon mit dem Gedanken, dem Hecht den Graben entlang zu folgen, als auf einmal die Schnur erschlaffte. Mir entkam nur noch ein schmerzerfülltes „NEIN“, da ich davon ausging, dass der Hecht sich lösen konnte. Stattdessen hatte sich nur etwas Kraut von der Schnur gelöst und der Fisch hatte eine Kehrtwende in meine Richtung gemacht, die ich im Eifer des Gefechts nicht mitbekommen hatte. Beim Einholen der Schnur hatte ich plötzlich einen Wiederstand und der Ritt begann von neuem.


Die Hechtdame ließ sich nicht bändigen und zog von einer Krautkante in die nächste. Bis zu dem Zeitpunkt, als endgültig keine Schnur mehr genommen wurde und der Fisch im Kraut festhing. Ab diesem Moment bewegte sich der Fisch nur noch wenige Zentimeter, ehe die Bremse keinen Ton mehr von sich gab, der Fisch komplett im Kraut versteckt war und die Zeit gefühlt eingefroren zu sein schien. Es kam mir vor wie in Zeitlupe, als Timo an der Seite des Grabens entlang ging und mit dem Kescher nach dem Fisch Ausschau hielt. Um den Fisch nicht zu verlieren, versuchte ich die Schnur unter Spannung zu halten und jedes Mal, wenn Timo mit dem Kescher dem Fisch näherkam, merkte ich, wie dieser am anderen Ende der Schnur zog und ein paar Zentimeter gewann. Meine Nerven lagen in diesem Moment blank und wenn ich nicht schon eine Glatze hätte, mir wären vor Nervosität die Haare ausgefallen. Ein wenig Schnur konnte ich so langsam gewinnen und war schon in Gedanken dabei, wie Timo den Kescher unter den Hecht führte und wir alle Freudensprünge machten. Doch in genau diesem Moment floh der Hecht aus dem Kraut. Im Gepäck ein ganzes Bündel Kraut, welches nach kurzer Flucht den Köder aus dem Maul des Hechts ausgehebelt hatte und mir der Köder entgegenflog …


Ab diesen Moment verspürte ich nur noch pures Entsetzen, gefolgt von einer tiefen Trauer, diesen einmaligen und besonderen Kampf verloren zu haben. Ich habe schon viele große Fische verloren. Aber noch nie hat mich einer dieser Verluste so sehr mitgenommen und eine derartige innere Leere hinterlassen. Timo versuchte mich noch zu trösten, ehe er die Situation begriff und sich einfach nur stillschweigend neben mich setzte. Wir haben noch einige Minuten dagesessen, gemeinsam geschwiegen und ungläubig auf den Graben in Richtung Horizont geschaut …

Dies war mein schönster Fisch, den ich nie gefangen habe.

 

Dennis Knoll


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Kommentare  

Toller Bericht, ich wäre wohl auch sooooo gefrustet gewesen.
Absolut! Richtig toll geschrieben!!
Ein absolut toller Bericht mit guten Filmaufnahmen.
Dennis ich kann dich gut verstehen, aber du weist ja wo er ist.
Also beim nächsten mal hast du ihn.
freut mich, dass mein alter philosophie-lehrer mal wieder voll bestätigt wurde: dich daneben ist auch vorbei.

aber das adrenalin kann ich nachfühlen, trotzdem: 12 points to the pike :-)
Kann ich sowas von nachvollziehen.
Da leidet man förmlich mit.
Tolles Event und toller Bericht, und großen Dank an den Kameramann, der sowas mal festgehalten hat (!) ...
Ich will es mal so sagen: Das Gerät war ein bischen sehr schwächlich, deutlich zu wenig Kraft ausübbar, der Fisch so nicht kontrollierbar und viel Freiheit für ihn. Und zudem der Fisch recht schlau und dabei noch sehr energiesparsam, da geht ganz anders.
Von daher war er wohl zu recht Punktsieger ;), wie oben schon geschrieben.

Ist aber nicht aller Tage Abend, sondern beste Wünsche für den Traumhecht und Daumendrück für die Zukunft, Dennis! :)
Hallo Nordlichtangler,

danke dir für deinen Kommentar :)

Mit dieser Rute oder auch Ruten in dem Segment habe ich schon so einige brenzliche Situationen gehabt und hunderte von Fischen in diesen Gewässern gelandet. Ein solcher Fisch (geschätzt > 1,20m) war da schon eine große Ausnahme, auch wenn ich einen 1,06m Hecht an der Stelle bereits gelandet habe. Wenn man gezielt auf Großhecht angelt, hat man natürlich anderes Material am Start aber in diesen Gräben fange ich auch meine 40er Barsche und das Gerät ist passend auf beide Fische abgestimmt. Zusammen mit einer ordentlichen Bremse, muss man da nur ordentlich arbeiten. Das der Fisch irgendwann ausgestiegen (nicht abgerissen) ist, ist dann natürlich ärgerlich. Ist dann unglücklicherweise aber passiert.

Aber der nächste große Fisch wird auch kommen, alles nur eine Frage der Zeit :)

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