intelligenz bei fischen 

Ich muss etwas beichten: so sehr mich Fische faszinieren, hab ich sie lange für recht schlichte Gemüter gehalten. Den Hecht beispielsweise, eine tumbe Fressmaschine mit einer Hirnstruktur aus Dinozeit, die nur eine Gleichung zustande bringt: Hunger + Schlüsselreiz = Angriff.

In das Thema „fischige Intelligenz“ eintauchend, kam für mich Erstaunliches zu Tage. Die Erkenntnisse stammen größtenteils aus wissenschaftlicher Literatur, aber auch aus dem Internet und Gesprächen mit Forschern.

01 intelligenz bei fischen hechtEin Hecht beim Angriff

 

Was ist tierische Intelligenz?

Schon Charles Darwin schrieb Tieren Emotionen und Selbstbewusstsein zu. Noch lange war danach umstritten, ob Tiere zu intelligenten Leistungen fähig sind. Mittlerweile ist dies in der Wissenschaft allgemein anerkannt; und zwar nicht nur Hunde und Wale betreffend, sondern auch für Fische und Insekten geltend.

Der Begriff Intelligenz ist nicht genau definiert, nicht mal für unsere Spezies Mensch. Viele Begriffe spielen hinein: Denken, Lernen, Erinnerung, Bewusstsein, Abstraktionsfähigkeit, Wahlfreiheit zwischen mehreren Möglichkeiten, auch Hirngröße, neuronale Vernetzung, Energiebedarf des Gehirns…

Es gibt nicht nur die mathematisch-analytische Intelligenz, die wir meist meinen, sondern auch eine soziale Intelligenz, eine emotionale und mehr.

Ich möchte niemanden mit bücherregalfüllenden Erläuterungen erschlagen, sondern schildere Beispiele für Fähigkeiten von Fischen und überlasse dem Leser die Bewertung, ob diese für Intelligenz sprechen.

 

Ein Fischschwarm - Das Kollektiv

02a intelligenz bei fischen koehlerschwarmSeelachse im Schwarm Dass ein Schwarm seinen Mitgliedern Schutz bietet, weil Räuber so schlechter einzelne Beutefische fixieren können, ist lange bekannt. Forscher um den Biologen Jens Krause fanden jedoch weit mehr über die Gründe solcher Gemeinschaftsbildung heraus.

Ein Schwarm funktioniert wie ein einziger, großer Organismus mit unzähligen Sinnen. Entdeckt ein einzelner Fisch Futter oder Gefahr, gibt er dies umgehend an die ihm nahen Kollegen über Signale weiter, die daraufhin selbiges tun (Kommunikation über Duft, Bewegung, Verfärbung, Gasblasen, usw.) Die Information des Einzelnen an alle fließt schneller als jeder Angriff erfolgen kann. Der Schwarm reagiert als Ganzes.

Somit ist ein Schwarm mehr, als die Summe seiner Einzelteile. Die Wissenschaftler sprechen von Schwarm- oder Kollektiv-Intelligenz. Einfache Lebewesen erreichen durch die Gemeinschaft ein höheres Niveau. Ein solches Kollektiv braucht auch keine Führer; die Einheit ist und leistet alles.

02 intelligenz bei fischen schwarmMakrelen im Schwarm 

Trotzdem gibt es Individualität. Bei Bienen beispielsweise, ist dies allgemein bekannt, doch es gilt auch für Fischschwärme. Bei manchen Arten wurde nachgewiesen, dass sie einzelne Mitglieder ihres Schwarms von denen anderer, artgleicher Schwärme unterscheiden können. Sie erkennen einzelne, bestimmte Schwarmmitglieder, sogar nach mehrwöchiger Trennung (= Gedächtnis), bevorzugen manche als Schwimm-Nachbarn gegenüber anderen (= Beurteilen, Entscheiden).

 

Auf Gedeih und Verderb verbunden

Putzerfische fressen Parasiten von großen Fischen. Schöne heile Welt? Dass dies zum Teil Trug und alles viel komplexer ist, bewies Verhaltensforscher Redouan Bshary.

In Wahrheit verspeisen Putzerfische die Plagegeister Anderer nur ungern. Viel lieber fressen sie etwas von der Schleimhaut der Kunden. Problem: Beißt der Putzer zu oft, wehrt sich der Besucher und verschwindet zur sich besser benehmenden Konkurrenz. Schlimmer noch: Andere Fische beobachten dies und meiden den zu forschen, scheinheiligen Helfer.

03 intelligenz bei fischen putzerfischDer Putzerfisch

Somit müssen die Putzer sich beschränken: hauptsächlich fressen sie die ungeliebte Parasitennahrung. Wenige Bisse werden von Friedfischkunden toleriert, von Räubern noch weniger, sonst wird’s gefährlich. Um unzufriedene Kunden zurück zu gewinnen, fällt dem Putzer auch etwas ein; "Einen Kunden, den er oft gebissen hat, versöhnt der Putzer beim nächsten Termin mit besonders gutem Service", sagt Bshary. Angebot und Nachfrage funktioniert im Riff.

Übrigens, Bshary beobachtete auch: Putzer lassen Stammkunden länger warten und bedienen zuerst Neuankömmlinge, um diese dauerhaft für sich zu gewinnen.

 

Die tödliche Gemeinschaft der Jäger

Der bekannte, deutsche Meeresbiologe Hans Fricke, bekannt vor allem durch seine Forschungen zum Quastenflosser, filmte im Roten Meer unglaubliche Szenen:

 

Ein Zackenbarsch und eine Muräne gingen regelmäßig gemeinsam auf Jagd und kommunizierten dabei. Konnte sich ein Opfer, welches der Zackenbarsch im Freiwasser jagte, ins Riff flüchten, signalisierte der Barsch der Muräne mit eindeutigen Zeichen das genaue Versteck, das nur sie erobern konnte.Fing sie den Fisch, ging der Barsch leer aus. Flüchtete die Beute vor der Muräne aber wieder ins freie Wasser, holte ihn sich der Barsch. Auch wenn nicht geteilt wurde, profitierten beide von der gemeinsamen Jagd. Die Initiative für gemeinsame Jagden ging übrigens immer von dem Barsch aus.

Bewusste, artübergreifende Kommunikation und Kooperation unter Wasser!

 04 intelligenz bei fischen muraeneMuränen sind bei der Jagd teamfähig - auch mit anderen Fischarten

 

Leider gibt es keine Fotos dazu, nur analoge Filmaufnahmen. Der sehr sympathische Forscher Fricke wollte mir Fotos von seiner ‚Arbeit in Action’ zukommen lassen. Es beruhigt mich etwas, dass auch Forscher, die mit Themen wie Intelligenz beschäftigt sind, auch vergesslich sein können. (Einen lieben Gruß an Hans Fricke an dieser Stelle).

 

Erinnerungen an Futter und Feind

Colum Brown konnte nachweisen, dass Bischofskärpflinge in Labyrinthen Futter finden, wenn sie sich an Farben und Zeichen orientieren können.

Und die Wissenschaftlerinnen Kelley und Magurran wiesen nach, dass sich Fische an ‚Feindkontakte’ erinnern.

Die Dauer der Erinnerung war von der Umgebung abhängig. In abwechslungsreicher oder gar neuer Umgebung vergaßen die Fische schneller. Besonders gut konnten Feindkontakte in Verbindung mit chemischen Botschaften als Erinnerung gespeichert werden.

Ein besseres Argument für Köderexperimente & -wechsel habe ich nie gelesen!

 

Werkzeuggebrauch bei Lippfischen, Dressurerfolge bei Goldfischen, Drückerfische, die Kinder beim Hütchenspiel schlagen…

Die Liste von erstaunlichen Eigenschaften und Fähigkeiten hat kein Ende. Dabei steht die Forschung bei den Geschuppten noch am Anfang; erst Recht bei unseren Einheimischen. Jede Wüstenameise ist besser durchleuchtet.

05 intelligenz bei fischen lippfischLippfisch

 

Konditionierung vs. Intelligenz

Bei all den Beispielen für intelligentes Verhalten ist zu beachten, dass, wie eingangs erläutert, Intelligenz nicht eindeutig definiert ist und auch, dass Intelligenz nicht mit Selbstbewusstsein im Sinne von ‚sich seiner Existenz und Individualität bewusst sein’ gleich zu setzen ist.

Die besonders für Angler interessante Grenze zur Konditionierung ist schwer zu fassen.

Ein vorfachscheuer Fisch erinnert sich zwar an das Vorfach, aber denkt nicht, "oh, ein Stück Schnur, ich soll gefangen werden", sondern regiert auf die mit schlechten Erfahrungen verbundenen Reize.

Es lohnt, sich mit Theorien zu Konditionierung, Little-Albert-Experiment, Pawlowscher Effekt, usw. zu beschäftigen.

 

Sind Angler auch lernfähig?

Fische können sich also erinnern, ihr Verhalten an Geschehenes anpassen, natürliche Reflexe unterdrücken. Dies besonders bei den im Leben entscheidenden zwei Dingen: Nahrung und Gefahr.

Dass beispielsweise Karpfen noch auf Boilies beißen, liegt an der Kreativität und unendlichen Ausdauer der Carphunter. Vermutlich auch daran, dass die Rüssler aus der Fischzucht nicht zu den hellsten Fischen gehören…

 

06 intelligenz bei fischen karpfenKarpfen bei der Nahrungssuche

 

Ein Hecht, der Gummifischbedingt ein paar Mal Landgang hatte, wird anders reagieren: diesen zukünftig für zumindest einige Zeit ignorieren oder flüchten. Die eingangs erwähnte Fressmaschine lebte vor 30 Jahren, als es mehr Hechte als Angler gab und erstere im Kochtopf landeten.

Wenn Sie sich wundern, dass bewährte Methoden und Köder nicht mehr gut funktionieren, liegt es nicht unbedingt an fehlendem Besatz. Es gilt sich der Überfischung und dem catch & release anzupassen.

„Anders angeln“ als alle Anderen ist das Gebot der Stunde. Werden fischige Boilies oder Firetiger-Jerkbaits als Renner in Ihrem Gewässer bezeichnet, heißt es: Finger davon lassen!

Stattdessen: Feiner, leichter, unsichtbarer, natürlicher - einfach mal ausgetretene Pfade verlassen und wieder mal anders angeln:

  • Kartoffel anstelle von Boilie
  • Dosenmais färben
  • salzig und nicht süß anfüttern
  • Opas Heintz-Blinker oder ein nagelneuer Rapala X-Rap Scoop anstatt Standardspinner,

 

Einen Vorteil haben wir Jäger: unsere Beute muss fressen!

Trotzdem gilt:

Fische, die lernen, überleben - Angler, die reagieren, fangen.

 

07 intelligenz bei fischen hecht

 

Hirn durch Hecht!

 

Noch eine Geschichte: der Anthropologe Ian Tattersall belegte, dass unsere menschliche Intelligenz ein großes Gehirn voraussetzt und sagt,

die Tatsache, dass wir überhaupt ein großes Gehirn haben, ist ein Zufall. Und zwar ein fischiger.“

Es entstand durch DHA-reiche Ernährung. Diese essentielle Fettsäure - die das menschliche Gehirn zur normalen Entwicklung benötigt - ist hauptsächlich in Fischen und Schalentieren zu finden.

 

Genieß somit das nächste Hechtfilet und glänze beim Essen gegenüber der besseren Hälfte mit neuen Erkenntnissen von www.netzwerk-angeln.de:

Angeln macht auch noch schlau!


Hans "Kati" Kathmann


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Kommentare  

Hans, du sprichst mir aus der Seele, aber viele Kollegen wollen einfach nicht glauben, dass Fische auch nicht blöd sind. Auch sie lernen dazu. Klasse Bericht von dir. :-)