Einleitung
„Veränderungen in der Jagdstrategie von Kormoranen und ihre Auswirkung auf Fischbestände in Flüssen“
Seit die europäische Population der großen Kormorane (Phalacrocorax carbo sinensis) vor 30 Jahren rasant zugenommen hat, war Dänemark eines der wichtigsten Brutgebiete für diesen kolonialen Wasservogel. Nach einer 10-jährigen Periode mit stabilen Zuwachsraten in Dänemark nahm die Population der großen Kormorane ab. Gleichzeitig hat eine Kombination aus kalten Wintern und einer geringen Verfügbarkeit von Küstenbeutefischen anscheinend dazu geführt, dass Vögel neue Futtergebiete suchten. So begannen Kormorane in Flüsse und Bäche zu ziehen, was mit einem beobachteten massiven Rückgang von Fischen zusammenfiel, hauptsächlich Bachforelle (Salmo trutta) und Äsche (Thymallus thymallus). In dieser Arbeit präsentieren wir die Ergebnisse von Studien mit Radio-Telemetrie, PIT-Tagging und traditionellen Fisch-Surveys, um die Auswirkungen der Prädatoren in dänischen Tieflandflüssen zu schätzen.
Zusammenfassung zur Studie von Jepsen et. Al. 20181
Als ich den Text der eben zitierten und recht aktuellen Veröffentlichung las, musste ich ständig an die Flüsse in meiner Umgegend denken, die vor über 20 Jahren erstmals von Kormoranen heimgesucht wurden. An den meisten Tagen, an denen ich morgens zur Arbeit fahrend vor der Ampel in Nähe des Flusses in meinem Wohnort stehe, überfliegen „zufällig“ gerade Kormorane diese Brücke. So als Gruß am Morgen. Da hat man als Angler gleich früh morgens schon mal gute Laune. Und wo ich meinen Text gerade korrigiere: gestern Morgen schaute ich um 7 Uhr aus einem wirklich kleinen Spalt des Badfensters, um nach dem Wetter zu sehen. Was musste ich sehen? Einen Kormoran im Vorbeiflug - quasi im Fokus …
Und wenn man sich mal wirklich früh aus den Federn bewegt, sieht man, wie viele Kormorane tatsächlich am Gewässer aktiv sind. Ich bin beruflich sehr viel am Wasser, auch früh und spät, wenn sich die Vögel zu Schwärmen versammeln und Treibjagden durchführen. Tagsüber sieht man oft bei weitem nicht, wieviel Exemplare tatsächlich am Gewässer aktiv sind. Auch dies wird übrigens in der zu besprechenden dänischen Studie erwähnt: interessant ist die Beschreibung, nach der Angler nur wenige Kormorane in den untersuchten Gebieten bemerkten und daher das Problem gar nicht erfassten. Auch Vogelzählungen, die dies nicht berücksichtigen, liefern gewollt oder ungewollt falsche Zahlen.
Das Kormoranproblem ist nun nicht gerade neu. Aber es ist nach wie vor ungelöst. Da sehe ich zuweilen Fotos, auf denen sich die Angelfreunde stolz mit zwei Rotaugen oder drei kleinen Barschen zeigen, und das als Beute eines ganzen Angeltages an produktiven Gewässern. Und dann noch der Meinung sind, Kormorane wären ja nicht das Problem. Petri zu den Fischen, aber ohne Kormorane wäre ein Vielfaches der Fische drin gewesen … Auch beim Angeln ist früher alles besser gewesen? Natürlich nicht, aber die Fischbestände vor dem Kormoran in vielen Gewässern und das sicher und belegbar.
Umso erstaunlicher also, dass Angler die Problematik – wie letztens noch gelesen - mit Sätzen wie „Komm mir nicht schon wieder mit dem Kormoran …“ oder „ … das ist doch ein alter Hut“ beiseite wischen. Das sind natürlich keine Argumente, zeigt aber, dass viele möglicherweise resigniert haben. Gerade jetzt, wo politisch erste Ansätze zu sehen sind (siehe auch hier), die Vergrämung auszuweiten, müssen die eigenen Positionen umso nachdrücklicher vertreten werden!
Wer langjährig und ausdauernd seine Angelrute schwingt, bekommt ein Gefühl dafür, wie schwerwiegend in einigen Gewässern seit Einfall der Kormorane der Bestandsrückgang bei den Fischen verlaufen ist. Der Blick von der Brücke des breiten Flusses vor meiner Haustür, wo noch um das Jahr 2000 große Schwärme Döbel im Kehrwasser des Absturzes standen, zeigt gähnende Leere. Nur noch vereinzelt zeigen sich Kleinfische und von den zwei in der Strömung am Überlauf stehenden Döbeln hat einer breite Verletzungen auf dem Rücken. Typischer könnte der Eindruck nicht sein, sind doch Fänge von Kormoranen verletzten Fischen mittlerweile regelmäßige Ereignisse! Dazu später mehr.
Ganze Bestände von Äschen sind verschwunden, Döbel- und Forellenbestände sind dramatisch geschrumpft und mit ihnen die Räuber. Und das, obwohl Gewässer hoch produktiv und voll von Nahrung sind. Das übliche Argument, die Verbauung und mangelnde Längsdurchlässigkeit der Flüsse sei am Schwund Schuld, zieht nur bedingt, denn das war früher auch schon der Fall oder vielfach sogar schlimmer. Trotzdem gab es sehr gute Fischbestände. Abgesehen davon gibt es offenbar in Dänemark auch viele unverbaute Flüsse, die genauso betroffen sind. JEPSEN beschreibt die betroffenen Flüsse in Dänemark so: „Die untersuchten Flüsse sind generell in sehr gutem Zustand, mit guter Wasserqualität, besitzen eine gute natürliche Struktur und Durchlässigkeit“ (Übersetzung Autor).
Während in den 80er und Anfang 90er Jahren nach persönlicher Mitteilung des Vorsitzenden eines Anglervereins an der Ruhr die Angler auf der Jahreshauptversammlung noch darüber klagten, sie „fängen nur noch Äschen“ und „wollten auch mal wieder was Anderes am Haken haben“, löste sich das „Problem“ aus den bekannten Gründen von alleine. Heute hat man z. B. in NRW ein „Äschenschutzprogramm“ mit einer so genannten „Äschenkulisse“. Hier setzte das vormals grüne Umweltministerium natürlich auf Fangverbote bei Anglern - nicht etwa auf eine sowieso aufs strengste reglementierte Bejagung oder Vergrämung des Kormorans.
Einen großen Teil meiner folgenden Beobachtungen verdanke ich neben der Angelei übrigens meinem Job: ich arbeite im Leistungssport mit der Rudernationalmannschaft zusammen und bin regelmäßig auf dem Wasser, auf Kanälen und Seen, auch in Trainingslagern im europäischen Ausland.
Zum Kormoranproblem
„Scheue“ Kormorane sehr lernfähig
Die anfängliche Scheu vor Menschen legen die Vögel mittlerweile nach Bedarf ab. So flogen die Vögel nach eigener Erfahrung früher vor unserem Motorboot und dem Ruderboot auf dem Kanal noch auf, mittlerweile lassen sie sich aber beim Fischen nicht mehr stören. Auch in Stadtgebieten, anfangs unter Anglern noch als kormoranarme Hotspots gehandelt, hat sich das Bild gewandelt.
Im europäischen Ausland wie in Italien, Spanien, Portugal (habe auch dort beruflich öfter an Gewässern zu tun) ist es die Regel, dass die ersten Vögel, welche man am Wasser sieht, Kormorane sind. Und zwar meist sehr viele Kormorane.
In einem anderen mir gut bekanntem Angelgewässer – einem kleineren Fluss der Forellen-/Äschenregion – werden mittlerweile seit ca. 8 Jahren auch keine Äschen mehr gefangen oder gesichtet, und das, obwohl man sich vor Jahren schon Gedanken machte, ob die prächtigen Äschenbestände wohl die Forellen auf Dauer verdrängen würde, solche Schwärme von Jungäschen schwammen um die Watstiefel.
Der naheliegende Grund dafür: die Kormorane haben gelernt, wie man auch kleinere, zugewachsene Gewässer bejagen kann. Die geringe Wassertiefe und der Baumbestand spielen keine Rolle. Gute Fischbestände ziehen die Vögel magisch an. Ich sah schon Kormorane im Rüttelflug in Bäche einfallen und beim Fischen an einem von oben wirklich unter Bäumen völlig zugewachsenen Flussabschnitt kam mir beim Waten ein Kormoran längs übers Wasser fliegend entgegen, dass ich schon den Kopf einzog. Ein Freund und Biologe/Ökologe berichtete mir von Kormoranen, die an freien Plätzen am Ufer landeten und „zu Fuß“ zum nahen Gewässer schritten, um dort zu jagen.
Es ist festzuhalten, dass Kormorane auch
- kleine und flache Gewässer erfolgreich bejagen,
- keinesfalls offene Einflugschneisen zum Gewässer brauchen und
- sich auch durch Menschen in der Nähe nicht abschrecken lassen, zumal sie oft sehr früh morgens jagen
Harte Zahlen
Kormoran- und Fischbestände
Angler sind wöchentlich oder öfter an ihren Gewässern unterwegs und sind sehr sensibel für Veränderungen vor allem im Fischbestand. Leider werden diese Beobachtungen aber im naturpolitischen Streit zwischen Anglern und „Naturschützern“ sehr oft als subjektive, eigennützige Behauptungen hingestellt, die keinen Wahrheitsgehalt besäßen und man argumentiert mit dem sich angeblich einstellenden „natürlichen Gleichgewicht“.
Und hier beginnt es spätestens schwierig zu werden, denn wichtig wäre es natürlich zur Argumentation, möglichst genaue, „harte“ Daten parat zu haben. Liegen mittlerweile gute Zahlen zum Kormoranbestand vor, so gibt es für die meisten Gewässer nur die Fangstatistiken der Angler als Grundlage für die Schätzung der Entwicklung der Fischbestände. Obwohl in meinen Augen diese auch (begrenzt) aussagefähig sind, kann an den daraus errechneten Zahlen natürlich berechtigte Kritik geübt werden, zumal jeder Angler seine Listen ungeprüft erstellt, viele die Fanglisten gar nicht ernst nehmen und wenn, dann überhaupt nur auf Zwang erstellen und abgeben. So hat die Ruhrfischereigenossenschaft eine solche Statistik der Fänge für ihren Zuständigkeitsbereich erstellt. Bei der folgenden Gegenüberstellung kann man einen deutlich negativen Zusammenhang (Korrelation) zwischen Kormoranzahl und Fangstatistik kaum übersehen (Danke an Stefan Jäger von der Ruhrfischereigenossenschaft).
Quelle
Die genauen Fangmengen nach Fischarten findet man hier.
Zum Vergleich die Entwicklung der Kormoranbestände:
Quelle: Michael M. Jöbges, Peter Herkenrath: Zum Vorkommen des Kormorans in Nordrhein-Westfalen, Natur in NRW Nr. 2/2017, 18
Erhebung von Fischbeständen
Nun kann man sich selbst mal die Frage stellen, wie es gelingen könnte, einen Fischbestand und seine Entwicklung über 20 Jahre auf einer beispielsweise 5km langen Flussstrecke mengenmäßig genauer zu erheben.
Dazu schreibt z. B. das LANUV NRW im „Bericht für AK Kormoran Endfassung Oktober 2013“ (, 30 ff.):
„In der Meeresfischerei werden Surveys (standardisierte Befischungen) zur Ermittlung der natürlichen Sterblichkeit durchgeführt, in dem man das Aufkommen der Eier, Larven und Jungtiere bis zum Eintritt in die Geschlechtsreife und in das Fangmaß („Rekruten“) ermittelt und aus diesen Werten das Schicksal der aufeinander folgenden Jahrgänge einer Population 31 mathematisch nachverfolgt und zur Ermittlung der Fangquoten prognostiziert. Zur Ermittlung dieser Maßzahlen (bei der Meeresfischerei, der Autor) werden große Institute betrieben. Der personelle und finanzielle Aufwand ist erheblich und findet seine Rechtfertigung in der wirtschaftlichen Bedeutung der Meeresfischerei und den internationalen Verpflichtungen. In der Binnenfischerei sind diese wirtschaftlichen und rechtlichen Bedingungen nicht gegeben. Es fehlen auch einige technische Grundlagen.“
Es müsste regelmäßig und flächendeckend befischt werden. Während es für stehende Gewässer u. a. DIN-Normen für die Netzabfischung gibt, um eine Standardisierung zu gewährleisten, kommen an Fließgewässern folgende methodischen Probleme hinzu:
„Die Erfassung von Fischen in Fließgewässern mit Hilfe der Elektrofischerei ist mit zunehmender Breite und Tiefe der Gewässer abnehmend quantitativ. Dies beginnt ab der Äschenregion und führt zu wechselnden Einsatzmöglichkeiten von Wat- und Bootsfischerei. Der Zugriff in der Mitte des Gewässers verringert sich deutlich. In diesem Bereich stehende Fische sind damit nur unsicher zu erfassen. Dies sind vor allem mobile und zu schnellem Schwimmen fähige Arten wie Äsche, Barbe, Nase, Döbel und dabei besonders die adulten Tiere, die den Laichtierbestand bilden. Bei den ganz überwiegend angewendeten Befischungen mit 1 oder 2 Geräten wird daher dieser Teil der Population deutlich unterschätzt, da die Tiere den Geräten ausweichen, die einen so genannten „Scheuchradius“ haben, der dem „Fangradius“ vorausgeht. Da adulte Äschen in der Regel Schwärme bilden, gehen dann nicht nur einzelne, sondern viele Tiere der Beobachtung verloren. Dies ist bei der Interpretation der fischereilichen Daten, die in der Datenbank FischInfo enthalten sind, zu beachten.“ (Ebenda, 32)
Es geht bei diesen auch offenbar eher um den Artennachweis, als um zahlenmäßige Bestandserhebungen. Interessanterweise gibt es für diese Probebefischungen für NRW eine Datenbank, deren Ergebnisse von jedermann eingesehen werden kann:
http://fischinfo.naturschutzinformationen.nrw.de/fischinfo/de/start
Man findet dort für meinen Bereich nur sehr wenige, lokal begrenzte Abfischungen, die natürlich Wasserstand, Witterung, Saisontermin nicht berücksichtigen können. Jedenfalls zeigt der tägliche Blick von der Brücke die Lage um den Fischbestand m. E. nach besser, als es diese wenigen, sporadisch erhobenen Daten von Elektrobefischungen tun können. Für den Fluss „vor meiner Haustür“, der vom Kormoraneinfall stark geschädigten Ruhr, gibt es also meines Wissens nach nur die Statistik für die Entwicklung der Anglerfänge sowie die Ergebnisse einiger Elektrobefischungen, welche im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie oder anderer Maßnahmen erfolgten.
Fassen wir nun zusammen:
Es ist methodisch aufwändig und teuer, ausreichend viele und für die Quantifizierung des Fischbestandes valide Daten zu bekommen.
Es gibt nun die nächste Hürde. Mal angenommen, es konnte für ein Gewässer nachgewiesen werden, dass die Anzahl der Kormorane extrem stark gestiegen und der Fischbestand tatsächlich genauso rapide gesunken ist. Plausibel ist jedenfalls, dass die Vögel sich ja von irgendwas ernähren müssen, und bei Hochrechnung von 0,5kg Fisch pro Vogel und Tag kann man schnell errechnen, welche Mengen entnommen wurden. Aber offenbar benötigt es noch eines Beweises, dass es tatsächlich die Kormorane waren. Da wird schnell die Verbauung des Gewässers aufgeführt, die mangelnde Längsdurchlässigkeit (wobei der Betrieb von unnützen Wasserkraftanlagen zur Erzeugung „grüner“ Energie gerne verschwiegen wird) sowie die Verbesserung der Wasserqualität und damit eingehende Verknappung von Nährtieren, fehlende Kiesbetten, Verschlammung durch mangelnde Strömung. Auch vom sich durch die Kormorane einstellenden biologischen Gleichgewicht wird gesprochen. Bei Räuber-Beute-Modellen gibt es aber auch notwendige Randbedingungen, unter denen diese funktionieren und in Grenzbereichen versagen diese dann leider. So ziehen die Vögel dann, wenn der Fischbestand „verbraucht“ ist, schlicht weiter zum nächsten Gewässer.
Und genau hier greift die oben genannte dänische Untersuchung in die Diskussion ein.
Die Studie: „Change of foraging behavior of cormorants and the effect on river fish“
„Veränderungen in der Jagdstrategie von Kormoranen und ihre Auswirkung auf Fischbestände in Flüssen“
Zurück nach Dänemark. Dort ziehen mittlerweile die Kormorane von der Küste aus die Binnengewässer hinauf. So ist für sie das Jagen in den engeren, strukturierten Flüssen offenbar einfacher und effektiver als im Meer.
Ich habe mal eine Grafik herausgesucht, aus der die Entwicklung der Kormorane in Dänemark hervorgeht und aus der die Problematik ersichtlich ist (Danke an Christof Herrmann vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern).
Quelle: https://www.lung.mv-regierung.de/dateien/kormoranbericht_mv_2017.pdf
Wegen zusammenbrechender Bestände wurden in Dänemark Äschen bereits ab 2001 unter Schutz gestellt, was natürlich ein Fangverbot für Angler beinhaltete. An der Konge Å - in der ich übrigens vor Jahren selbst schon öfter gefischt habe - wurden statt früher ca. 1000 Tageskarten zuletzt nur noch um 50 Stück verkauft.
Dies war u. a. Grund für eine Untersuchung, die Nils Jepsen von der Dänischen Technischen Universität vom dortigen National Institute of Aquatic Resources an einem Oberlauf der Ribe Å, der Nörre Å und an der Konge Å zum Thema Schädigung des Fischbestandes durch den Kormoran durchführte. „Das Ziel der Studie war es, die Auswirkungen der Kormorane auf Bestände von Flussfischen zu untersuchen.“ Insbesondere, mit wissenschaftlichen Methoden anhand von Daten zu zeigen:
- dass Kormorane ihr Jagdverhalten schnell anpassen
- ganze Fischbestände nachhaltig bedrohen, nachhaltig schädigen und sogar vernichten können
Jepsen verweist auf die bereits angedeuteten Schwierigkeiten. „Die direkten Auswirkungen von Räubern auf eine Fischpopulation sind durch Einzelverfahren schwierig zu messen. Daher ist für aussagekräftige Ergebnisse oft eine Kombination von Methoden nötig (Jepsen et al., 2010; Hansson et al., 2017).“ (übersetzt vom Autor)
Messmethoden
So wurden:
- PIT-Tagging
- Radio-Tagging und
- Kameraüberwachung
eingesetzt.
PIT-Tagging bedeutet: den Fischen wurden in der ersten Maßnahme kleine Transponder nahe der Rückenflosse eingepflanzt.
Hier handelt es sich um sehr kleine „Marker“: PIT „passive eingepflanzte Transponder“, die später mit speziellen Geräten geortet werden können (ähnlich der in Geschäften verwendeten Diebstahlsicherungstechnik).
Radio-Tagging: aktive Transponder mit Sender. Eine Zusammenstellung mit Fotos findet sich auch hier beim Wanderfischverein Fische ohne Grenzen NASF.
Ferner wurde die Überwachung mit Outdoor-Kameras durchgeführt, um die Anzahl der Kormorane und z. B. weitere Prädatoren identifizieren zu können.
Bei der Wahl der zu untersuchenden Gewässer war den Forschern wichtig, dass dort an den Gewässern keine festen Kormoran-Brutplätze sein sollten, also insbesondere gezeigt werden könnte, dass die Schäden insbesondere von ziehenden Vögeln verursacht werden. Ferner wurden Abschnitte gewählt, die Anglern gerade nicht durch besonders auffallende Kormoraneinfälle aufgefallen waren. Die Studie wurde im Bereich der Ribe Å und Konge Å angesiedelt. Der Fischbestand besteht in diesen Gewässern zur absoluten Mehrheit aus Forellen und Äschen.
Ergebnisse
Passive Transponder
Es wurde zunächst an der Nørre Å, einem kleinen Zufluss der Ribe Å, über drei Jahre 2010-2012 jeweils im Mai/Juni auf 6,5km eine Elektrobefischung durchgeführt. Es wurden insgesamt eine Anzahl von 3195 Fischen mit PIT markiert.
In den Jahren 2013-2016 wurde dann an einem 10km entfernten Kormoran-Rastplatz nach Transpondern gesucht. 40% wurden wiedergefunden, was aufgrund von Auswertungen anderer Studien auf einen tatsächlichen Verlust von 70% der markierten Fische schließen lässt. Von den Transpondern wurden u. a. 367 an näheren Rastplätzen, aber auch 10 PIT von markierten Bachforellen an 121km (!!) entfernt liegenden Rastplätzen von Kormoranen gefunden.
Die weitere Auswertung im Vergleich zum Ergebnis des Abfischens ergab, dass die verlorenen Fische schätzungsweise 30% der wilden Forellen und 72% der wilden Äschen darstellten.
Aktive Transponder
Im zweiten Teil der Studie wurde in der Konge Å die Versuchsstrecke von 7km abgefischt. Es wurden 25 Fische mit aktiven Transpondern ausgestattet, insgesamt 66 Fische mit PIT. An den Endpunkten der Strecke wurde Detektoren aufgestellt, die erkennen sollten, wenn Fische die Strecke verlassen würden. Über 6 Monate wurden 21 Trackings nach den PIT durchgeführt, und zwar auch bis ca. 5km ober- und unterhalb der Grenzen der Versuchsstrecke.
21 der mit aktiven Sendern ausgestatteten Fische verschwanden, ohne dass das Verlassen der Versuchsstrecke registriert wurde. Davon wurden acht Sender an einem 21km Luftlinie entfernten Kormoran-Rastplatz gefunden.
Bevorzugte Beutegröße
Ein Nebenergebnis der Studie ist die starke Korrelation der verlustigen Fische mit deren Größe. Kormorane bevorzugen als Beute offenbar größere Fische, womit bei Salmoniden vor allem die Laichfische betroffen sind. In Gewässern mit Kormoraneinfall überleben so auf Dauer nur noch kleine und sehr alte Fische.
Bemerkenswert: 44% der bei den Frühjahrsbefischungen gefangenen Äschen hatten Bisspuren und Kratzer, von den Fischen größer als 34cm die meisten (auch bei uns sind schwere Verletzungen von Kormoranzugriffen regelmäßig bei geangelten Fischen zu sehen).
Bilder vom Kormoran verletzter Fische
Dank an Manfred Fetthauer, ARGE Nister
Zusammenfassung
Man kann also feststellen, dass es mit dieser Studie gelungen ist, über die Transponder den direkten Weg zum Kormoran nachzuweisen. Es wurde m. E. klar gezeigt, dass
- die raubenden Kormorane erhebliche Strecken zum Beuteerwerb zurücklegen und daher oft als lokale Schadensverursacher unerkannt bleiben
- bereits wenige Kormorane bestandbedrohende Mengen an Fisch fressen
- Kormorane insbesondere bevorzugt die für den Fischbestand wichtigen Laichfische entnehmen
- für die Äschenpopulationen Ausrottungsgefahr besteht
Ausblick
Wie bereits oben angemerkt, bin ich der Meinung, dass das Thema Bestandsgefährdung von Fischen durch den Kormoran an Dringlichkeit in keiner Weise nicht verloren hat, daran werden auch Renaturierungsprojekte und Wasserrichtlinien nichts ändern. Auch wenn in der Öffentlichkeit schon öfter auf das Problem hingewiesen wird und die Politik sich des Problems vermehrt annimmt und zum Teil bereits reagiert hat, hält das Warten auf WIRKSAMES Vorgehen an, siehe auch die kritischen Anmerkungen zur neuen Kormoranverordnung 2018 in NRW bei Netzwerk Angeln.
Es sind alle Angler aufgerufen, weiterhin öffentlich auf das Problem aufmerksam zu machen und für wirksamere Vergrämungsmaßnahmen zu kämpfen. Für die bedrohten Fische, somit für das Angeln und letztlich auch für den Naturschutz selbst und seiner zumindest begrifflich arg strapazierten „Artenvielfalt“.
Dr. Stefan Weigelt
1 Change of foraging behavior of cormorants and the effect on river fish. / Jepsen, Niels; Ravn, Henrik Dalby; Pedersen, Stig. In: Hydrobiologia, Vol. 820, No. 1, 2018, p. 189-199
Weitere informative Links:
https://www.lung.mv-regierung.de/dateien/kormoranbericht_mv_2017.pdf
https://artenschutz.naturschutzinformationen.nrw.de/artenschutz/de/arten/gruppe/voegel/kurzbeschreibung/103027
http://www.helcom.fi/baltic-sea-trends/environment-fact-sheets/biodiversity/population-development-of-great-cormorant
http://www.lavt.de/download/startseite/Einfluss_des_Kormorans.pdf
https://www.argenister.de/2018/07/
http://contra-kormoran.de/
Dr. Stefan Weigelt