750 teaser wie gewonnen stefan
Besser gesagt:
Es gibt immer wieder kuriose Sachen, die passieren wohl nur beim Angeln. Gestern war wieder so ein (Sams-)Tag. Ich war sehr lange nicht angeln gewesen, 10 Tage sind für mich eine halbe Ewigkeit! Den Morgen hatte ich schon verpennt, für den Sonntag stand ein Verwandtenbesuch an, also auch keine Chance. Samstag Vormittag ist auch Putztag bei uns. Also erstmal ran. Nebenher noch Mittagessen für die Familie fertig gekocht. Kommt besser, wenn man sich Samstag nachmittag unauffällig ans Wasser abseilen möchte.

Ab an den See zum Angeln!

Gegen 14 Uhr packte ich dann mein Auto. Das Wetter gefiel mir, nach den heißen Tagen der letzten Wochen bewölkt, windig, kühler. Das sollte den Fischen gefallen! Am See angekommen, fiel mir sofort die Ruhe auf. Trotz Wochenende kein Motorradkorso, kein einziges Auto auf dem Parkplatz am Steg, in der Ferne ein einziges Angelboot draußen. Was war los? Waren etwa auch die Fische weg?
1 wind und welle Wind und Welle – optimal zum Angeln
Vor allem ist es immerhin sehr erholsam, wenn die Badegäste wegbleiben. Mit denen erlebt man so seine Stories.

Eine kleine Anekdote dazu

Ich sitze morgens bei herrlichem Wetter vormittags in der Woche mitten auf dem See in meinem Boot und stelle den Renken nach. Da nähern sich vom Badestrand her zwei Köpfe im Wasser. Zielstrebig steuern die auf mich und mein Boot zu. Glaube noch an Zufall, aber die beiden älteren Herren, so habe ich sie identifiziert, plätschern immer näher heran. Und dann das Unfassbare: einer der beiden schwimmt doch tatsächlich an mein Boot und hält sich an der Bordwand fest. „Jetzt kontrollieren sie schon in Badehose!“, denke ich noch, da quakt der Mann los. „Kennen Sie den Dr. Bodemann (den genauen Namen, den er nannte, weiß ich nicht mehr genau)?“ Ich war nun doch genervt. Der ganze See frei und ausgerechnet zu mir und meinem Boot müssen die ranschwimmen.
„Bitte?“ fragte ich ungläubig.

Es entwickelt sich folgender Dialog:
„Na, den Dr. Bodemann!“
„Nein, kenn ich nicht!“
„Nein? Der angelt aber auch, den müssten Sie doch kennen!“
„Ich kennen keinen Dr. Bodemann!“
„Wirklich nicht? Weil der doch auch angelt!“
„Entschuldigung, aber ich möchte hier jetzt in Ruhe weiter angeln.“
„Aber dass Sie den Dr. Bodemann nicht kennen …“

Ich fühlte ich mich live in einen der Sketche von LORIOT versetzt. Besser ging nicht. Hatte fast ein schlechtes Gewissen, den angelnden Doc nicht zu kennen. 

Fast keine Besucher am See - Angeln in aller Ruhe

Aber zurück zum Thema. Ich kam also gegen 15 Uhr am See an, alles ruhig, wunderbar. Oder waren die Fische alle seeab gezogen? Dann bepackte ich mein Boot und rudert ein paar Schläge, als ich schon mächtig Fisch auf dem Echo hatte. Wie immer Richtung Ufer, auf dem der Wind stand. Ich machte meine neue Rute mit Gummifisch klar, versuche ich doch immer noch, hier den Zandern auf die Spur zu kommen.

Mal ne neue Rute - man gönnt sich ja sonst nix

Da hatte ich mir gerätetechnisch was richtig Gutes gegönnt! Mein Rutenpark besteht größtenteils aus hochwertigen Ruten. Dabei verfolge ich aber eine Strategie: niemals neu kaufen. Ich beobachte ständig die Angebote eines bekannten Auktionshauses und dessen Kleinanzeigen und mit ein wenig Geduld kommen so hochwertige und oft auch wenig gefischte Ruten für kleines Budget ins Haus. Auch hier hatte ich zugeschlagen. Die Rute hatte ich mir für die herbstliche Jagd auf Flusszander zugelegt, sie war neuwertig für den halben Preis gekommen. Dazu gönnte ich mir allerdings eine richtig gute, neue Stationärrolle. Die Kombo war noch nicht entschneidert und ich freute mich schon auf den ersten Fisch.

Gleich die ersten Würfe Richtung Ufer brachten Fischkontakt. Es tockte, aber ich konnte zunächst keinen Fisch haken. Dann hing plötzlich was Großes! Mächtig Widerstand, zunächst kaum ranzukurbeln. Ein paar Schläge, so dass ich Zander vermute. Aber kurz vor dem Boot – ab! Danach tat sich hier nichts mehr. Die Sonne kam mehr und mehr raus, das fand ich nicht so gut. Ich schleppte ein Runde mit Wobblern und fuhr etwas weiter seeab auf 11m Tiefe und sah dann große Renkenschwärme auf dem Echolotschirm. Hier in der Nähe könnten doch Raubfische sein, dachte ich und montierte wieder den Gummifisch. Aber die folgenden Würfe brachten keinen Kontakt, obwohl der eine oder andere Räuber zu sehen war.

2 echolotViele gute Echos

Wenn Raubfische nicht wollen, geht es eben auf Felchen

Na gut, eigentlich wollte ich eine Raubfischtour machen, aber mal sehen. Ich montierte die Hegenenrute, legte die Gummifischrute an die Seite auf das Rutenfutteral und schwupps hatte ich die erste gute Renke. Wahnsinn, was diese Fische bereits mit Größen um 30cm für einen Drill liefern!

Die Renken bissen zwar mit geringer Frequenz, aber wenn, waren es alles gute Fische bis 40cm. Ich wollte auch einen Köderfisch raushängen, aber dummerweise fing ich keinen einzigen kleineren Fisch, so dass eine große Renke dran glauben musste. Die gut ausgebleite Pose begab sich an der KöFi-Rute auch prompt auf Tauchstation. Da ich aber auf der Stelle stand, wo ich wohl im Frühjahr einen Waller gehakt hatte, dachte ich so, dass er jetzt nochmal eine Chance hätte, ins Boot zu kommen.

So verbrachte ich zwei schöne Stunden und versorgte vier schöne Renken nach aufregenden Drills für die feine Küche. Dann war es schon so langsam Abend und die Renken bissen nun nur noch ganz selten.
3 felchenSchöne Fische

Nach den Felchen nochmal Raubfisch!

Zum Abschluss dachte ich mir, den Gummifisch noch einmal zu wässern. Und nun begann der Stress. Ich drehte mich um, um die Gummifischmontage in die Hand zu nehmen, aber wo war die Rute?? Hektische Blicke rundum im Boot. Da war die Köfi-Rute, die Heberute. Wooo war die dritte Rute? Schlagartig wurde mir klar: die Rute war weg. Kennt ihr eigentlich das Gefühl, wenn man schon beim Tun denkt, das was schiefgehen könnte, man es aber trotzdem macht? So geschehen mit der Gummifischrute: beim Ablegen auf das Rutenfutteral, das immer rechts an der Bordwand liegt, dachte ich noch so „Die Rute liegt aber gefährlich hoch nahe an der Bordwand. Pass mal auf, dass die da nicht runterfällt!“ Aber unerbittlich: weg war weg. Ungläubig schaute ich INS Futteral. Eigentlich kompletter Quatsch, aber der Stress zwang mich irgendwie dazu.
Dann verdichtet sich alles zur Gewissheit:
Die neue, teure Kombo ist über Bord gegangen und liegt in 11m Tiefe am Grund! Gedanken überschlugen sich:

„Alles nicht so schlimm!“ „Doch schlimm!“ „Naja, passiert halt!“ „Bist du bekloppt, allein die Rolle für 300 Tacken!“ „So ein Rutenschnäppchen machst du nie mehr!“ „Los, hol das Teil doch wieder raus!“ „Wie denn?“ „Da wird sich ja einer freuen, wenn er das Teil mal irgendwann aus Versehen hakt…“
Wo waren überhaupt heute die Taucher? Die sind doch sonst immer gerade an dieser Stelle unterwegs? Schon dachte ich daran, die Taucher bei der nächsten Begegnung zu fragen, ob sie meine Rute hochholen könnte und was für Trinkgeld angemessen sei. 30 Euro, 40 Euro?

Aufgeben ist nicht - die Rute wird gefangen!

Nach dem ersten Schockzustand dann der Kampfgeist:
Ich würde die Rute genauso wie die einst sauber am Seegrund gehakte Kiste Krombacher (berichtete ich in der Netzwerk Angeln Gruppe auf Facebook drüber) oder das damals einsam auf dem See treibende, losgerissene Boot mit der anderen Spinnrute wieder einfangen!
(Angeln auf Felchen - Saisonstart 2019 mit Hindernissen)

4 boot altartikelBoot in freier Fahrt – jetzt musste die Angel zum Einfangen her!5 KrombacherSauber gehakt – Kiste Krombacher, sogar eine volle Flasche war noch drin!

Geankert hatte ich ja, nicht versetzt, also musste der Stecken direkt irgendwo unter mir sein. Gummifisch war an der Rolle eingehängt, also auch genug freie Schnur an der Rute zum Einfädeln! Ich griff mir den schwersten Football-Jigkopf, den ich dabei hatte, hängte noch einen Stringer ein und los. Gummifisch? Brauch man jetzt nicht, dachte ich. Gut, dass der Grund hier absolut hängerfrei beschaffen ist. Und wieder und wieder warf ich sternförmig kurz aus und zog die Montage über Grund. Nichts und wieder nichts.

Ungläubig wollte ich schon aufgeben. Nun hatte ausgerechnet diesen Abend der Wind gedreht, so dass ich vom Anker aus etwa 90 Grad seitlicher vom Anker abtrieb als zu Beginn am Spot. Also warf ich nochmal dahin, wo ich vermeintlich am Anfang gestanden haben könnte. Und man glaubt es nicht – Widerstand. Zunächst glaubte ich noch an das Ankerseil, aber dann hob sich der Hänger langsam. Ich war nervös wie beim Drill eines kapitalen Fisches! Jetzt langsam mit Gefühl – nur nicht verlieren, die Beute! Und dann erschien sie tatsächlich – die Rute! Und nicht nur das – ich hatte sie mit dem Stinger sauber im Spitzenring gehakt, welch ein Zufall … Immer wieder zeigt sich der Vorteil des Angstdrillings .
Schnell machte ich ein Foto.
6 rute gefangenBlitzsauber eingefädelt am Stinger

Fisch satt und die neue Angelrute wieder (ein)gefangen

Eigentlich war der Angeltag da bereits ein voller Erfolg – obwohl doch nur Schadensbegrenzung gelungen war. Tiefenentspannt steuerte ich noch einmal den Spot vom Beginn an und warf das Gummi. Dann oberhalb des Bootssteges nochmal viele Echos. Und dann auch noch ein Biss, Widerstand, Bremse. Zum krönenden Abschluss gab es noch mal „Zielfisch“: einen schönen Küchenhecht Mitte 50. Das freute mich besonders, denn ich brauchte mal wieder einen und die Exemplare, die ich dies Jahr schon am Haken hatte, waren (leider oder nicht) alle zu groß …
7 kuechenhechtZur Belohnung noch ein netter Küchenhecht

Somit hatte ich die Rute nicht nur gerettet, sondern obendrein auch noch bestens entschneidert. Es kamen dann Regenwolken auf. Eigentlich wollte ich noch in der Dämmerung auf Zander probieren, aber ich beschloss, Schluss zu machen, bevor es nass werden würde. Wieder einmal ein denkwürdiger, erlebnisintensiver Tag auf dem Wasser! Und nie – nie wieder lege ich eine Rute so gefahrvoll ab, ich schwöre! Allerdings bringt mir dieser Schwur weder meine teure Polaroidbrille (20 Jahre hatte ich sie sicher beim Fliegenfischen dabei), die fahrlässig auf der Sitzbank abgelegt von einer Hegene erfasst in die Tiefe gezogen wurde oder meine bis dato beste Lesebrille (während des Drills eines großen Hechtes beim Bücken über die Bordwand vom Gesicht geplumpst) zurück.


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